Vorstellung: Fred Neumann / Vortrag StudOn: Etablierung einer Online-Lernplattform an der Universität

Wie angekündigt, wollen wir in den kommenden Wochen jeden Tag jeweils einen Referenten und seinen Vortrag für den Webkongress Erlangen vorstellen. Wir beginnen mit Fred Neumann vom Institut für Lern-Innovation, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Bitte beachten Sie, dass sich die Details der Vortragsbeschreibung bis zum Kongress noch ändern können.

Fred Neumann

  • Org./Fa.: Institut für Lern-Innovation, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • WWW: http://www.fim.uni-erlangen.de
  • Vortrag: „StudOn: Etablierung einer Online-Lernplattform an der Universität“

Fred Neumann arbeitete nach seinem Studium der Informatik als Entwickler und Berater bei der Prodato Integration Technology GmbH und als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Erlangen-Nürnberg. Hier entwickelt er in nationalen und europäischen Projekten und Dienstleistungen technische Konzepte und Lösungen für Internet-gestütztes Lernen. Sein Hauptinteresse liegt dabei in der bedarfsgerechten Nutzung und Anpassung von E-Learning-Standards und -Systemen für verschiedene Zielgruppen. Als Entwickler in der Community des Learning Management Systems ILIAS open source trug er zur vereinfachten Internationalisierung und seiner Einführung in der Bundesagentur für Arbeit bei. Seit 2007 betreut er im Projekt FAU-StudiumOnline den technischen Aufbau und die Weiterentwicklung der zentralen Lernplattform an der Universität.

Vortrag: StudOn: Etablierung einer Online-Lernplattform an der Universität

Mit einer Online-Lernplattform werden viele Aspekte des Lehrens und Lernens über das Web in einer homogenen Umgebung unterstützt: von der Organisation und Bereitstellung von Inhalten über Kommunikation, Zusammenarbeit und Übungen bis hin zu elektronischen Prüfungen.
Der Vortrag zeigt mit StudOn die Etablierung einer solchen open source basierten Plattform an der Universität Erlangen-Nürnberg und die Lösungen, die zur organisatorischen Einbettung und technischen Integration sowie für rechtliche Vorgaben gefunden wurden.
Durch die gewählte Strategie aus einer pädagogisch geleiteten und nutzergetriebenen Weiterentwicklung, dezentralem Kompetenzaufbau und Service-Orientierung fand die Plattform breite Akzeptanz und hat auch zu neuen Nutzungsformen geführt, die das Ziel der Verbesserung von Studium und Lehre unterstützen.

Das Projekt

StudOn startete 2007 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als ein aus Studiengebühren finanziertes Projekt zur Verbesserung von Studium und Lehre durch den Einsatz neuer Medien. Dazu wurde eine Reihe von Angeboten aufgebaut: als zentrale Systeme die Lernplattform StudOn und das E-Assessment-System Perception, flankiert von Schulungen, Support, individueller Beratung und Anpassungen sowie der Bildung von Netzwerken in der Universität unter Einbindung von Hochschulleitung, Studiendekanen, Studien-Service-Centern, Dozenten und Studierenden.

Die Plattform

Zentrales Element ist die Online-Lernplattform StudOn auf Basis des System ILIAS open source. Sie vereint viele Funktionen des Lehrens und Lernens, z.B. die Bereitstellung von Inhalten als Dateien, Online Lernmodule, Glossare oder Mediacasts, die Kommunikation und Kooperation über Mail, Foren, Chats und Wikis sowie die Unterstützung der Lehrprozesse durch Kurs- und Gruppenstrukturen, Übungen, Tests und Umfragen. Die Lehrenden wählen selbst aus, welche der vorhandenen Elemente sie nutzen möchten, so dass die Übersicht gewahrt bleibt.

Kaum eine der angebotenen Funktionen hat den Umfang spezialisierter Systeme, sondern beschränkt sich auf die im Lernkontext notwendigen. Der Vorteil liegt hier in der einheitlichen Bedienung und engen Integration aller Elemente, die Systembrüche vermeidet und übergreifende Aspekte wie Lernfortschritte durchgängig unterstützt. Dennoch sind Schnittstellen zu anderen Systemen möglich, über die auch neue Funktionen integriert werden können.

Einführungsstrategie

Ein System wie StudOn kann, richtig genutzt, die Lehre nachhaltig verändern und verbessern. Daher ist es wichtig, die Zielgruppen gut heranzuführen und einzubeziehen, um Vorbehalte abzubauen und das Angebot bedarfsgerecht einzurichten. Hauptzielgruppe sind die Studierenden, doch eine Schlüsselrolle kommt den Dozenten zu, die ihre Lehrangebote in der Plattform einrichten. Die Strategie bei StudOn war hier eine Mischung aus „Top-Down“ und „Bottom-Up“-Vorgehensweise
und einer starken Service-Orientierung mit intensivem Support.

„Top-Down“ wurde das Projekt in der Hochschulleitung und in Arbeitskreisen der Universität verankert. Ein zentrales Team aus Lernpsychologen und Technikern und die Kooperation mit dem Rechenzentrum stellen sicher, dass das System nach pädagogisch-didaktischen Prinzipien aufgebaut und schrittweise nahtlos in die IT-Landschaft der Universität integriert wird.

Entsprechend dem „Bottom-Up-Prinzip“ sollte die Nutzung freiwillig und flexibel sein und die Weiterentwicklung des Angebots bestimmen. So wurde StudOn bereits nach einem Semester Vorbereitung als kostenfreie, zentrale Alternative zu den individuellen Lösungen der Lehrstühle angeboten. Die Dozenten konnten es frühzeitig, aber ohne Druck nutzen und ihre Inhalte nach und nach in StudOn verlagern, blieben aber stets autonom. In Schulungen, Anwendertreffen und individuellen Beratungen wurden dezentrale Kompetenzen und Verantwortlichkeiten aufgebaut und aus den Anregungen und Wünschen der Nutzer weitere Entwicklungsschritte abgeleitet.

Plattform-Organisation

Der beschriebenen Herangehensweise entspricht der Aufbau der Plattform. Das System bietet jedem Nutzer einen „Persönlichen Schreibtisch“ als zentrale Übersicht zu seinen Lernangeboten. Diese sind in einem hierarchisch gegliederten Verzeichnis abgelegt, in dem sich auf jeder Ebene Rollen für Schreib- und Leserechte definieren lassen. In StudOn wurde dafür die Organisationsstruktur der Universität gewählt. Fakultäten und Departments wurden vorab angelegt, die Bereiche für Lehrstühle werden auf Anfrage eingerichtet, um leere Verzeichnisse zu vermeiden. In ihrem Lehrstuhlbereich können Dozenten dann sogenannte „Kurse“ für ihre Lehrveranstaltungen anlegen und mit weiteren Inhalten und Funktionen füllen.

Dieser organisatorische Aufbau erlaubt es, die Rechte zur Verwaltung eines Bereichs an dezentrale Bereichs-Manager abzugeben, so dass die Lehrstühle nach einmaliger Einrichtung in der Verwendung weitgehend unabhängig agieren können. Hier gestattet StudOn Flexibilität, um vorhandenen Strukturen gerecht zu werden: in manchen Instituten kooperieren die Lehrstühle eng und verwalten ihren Bereich gemeinsam, andere möchten separate Unterbereiche für ihre Dozenten.

Integration

Möglich war die Flexibilität in der Organisation von StudOn dadurch, dass der Gesamtkatalog aller Lehrveranstaltungen bereits in dem schon länger bestehenden Informationssystem UnivIS realisiert ist. Eine allgemeine Suche nach Lehrveranstaltungen findet also dort statt – in den Informationen zu einer Lehrveranstaltung führt dann ein Link zum entsprechenden Kurs in StudOn. Seit 2010 können sich die Dozenten mit einem neu entwickelten Online-Assistenten zudem für ihre Lehrveranstaltungen aus UnivIS die entsprechenden Kurse in StudOn automatisch anlegen lassen. Deren Organisation und Einrichtung in StudOn bleibt dennoch vollständig unter ihrer Kontrolle.
Neben UnivIS wurde auch das Verwaltungssystem mein campus mit StudOn gekoppelt. Anmeldungen zu Veranstaltungen können über mein campus erfolgen und werden automatisch mit StudOn synchronisiert. Die Studierenden werden von StudOn zur Anmeldung in mein campus geleitet und bekommen dort angezeigt, wenn zu einer Veranstaltung ein StudOn-Kurs existiert.

Basis für diese Kopplung ist das Identity Management der Universtät und das damit realisierte Single Sign-On über einen zentralen Anmeldedienst. Zum Start von StudOn mussten sich die Studierenden noch mit Prüfung ihres Benutzernamens und ihrer Matrikelnummer selbst registrieren. Seit dem Wintersemester 2009 werden ihre Accounts automatisch beim ersten Login über Single Sign-On angelegt und ihre Studiendaten bei jedem Login synchronisiert. Weitere Ausbauschritte sehen eine direkte Provisionierung der Nutzerdaten aus dem Identity Management vor.

Nicht immer ist eine Kopplung über Single Sign-On nötig. Im Fall des Assessment-Systems Perception ging es darum, Online-Tests aus StudOn aufzurufen und die Ergebnisse eines Tests in StudOn zurückzuspielen. Dazu wurde in StudOn eine neue Schnittstelle für das Perception-eigene Integrationsprotokoll implementiert.
Beim Video-Portal der Universität und anderen Medien-Servern war es nötig, den Zugriff auf geschützte Medien durch StudOn zu autorisieren. Dies wurde über eine leichtgewichtige Schnittstelle mit Passwort-Vergabe durch die Dozenten und Zeit und IP-abhängiger Verschlüsselung im Zugriffs-Link realisiert.

Rechtliche Aspekte

Zur Einrichtung der Plattform waren auch rechtliche Aspekte zu beachten, hauptsächlich den Datenschutz, das Urheberrecht und die Barrierefreiheit betreffend.
Zum Datenschutz wurde frühzeitig mit dem Beauftragten der Universität geklärt, welche personenbezogenen Daten verarbeitet werden können und für welche Personengruppen zugänglich sein dürfen. Daran wurden das Rollen- und Rechtemodell und die Nutzungsbedingungen der Plattform angepasst. Nur die zur Organisation der Lehrveranstaltungen notwendigen Nutzerdaten werden automatisch ins System übernommen – weitere können von den Nutzern in ihrem persönlichen Profil selbst eingegeben und sichtbar geschalten werden. Minimal sind für alle Nutzer nur Vorname, Nachname und Benutzername sichtbar. Beschäftigte der Universität können per Antrag das Recht bekommen, weitere Daten der Teilnehmer ihrer Lehrveranstaltungen einzusehen und zu exportieren, z.B. die Matrikelnummern und Studiengangsdaten.
Auf die Verarbeitung ihrer Daten werde alle Nutzer in einer Nutzervereinbarung hingewiesen, der sie beim Erstzugriff zustimmen müssen. Zudem wird bei jeder Kursanmeldung eine Zustimmung zur erweiterte Einsichtmöglichkeit durch autorisierte Dozenten abgefragt.

Dem Urheberrecht wird durch die Möglichkeit Rechnung getragen, Lerninhalte in geschützten Bereichen (Kursen oder Gruppen) anzulegen, für die ein Beitritt erforderlich ist. Der Beitritt kann über verschiedene Kriterien geregelt werden: Aufnahmeantrag, Kurspasswort oder ein direkter Beitritt auf Basis bestimmter Studiengangsbedingungen. Eine Online-Hilfe zu Urheberrecht und neuen Medien erklärt, welche Zugriffsbeschränkung für welche Art der Nutzung hinreichend ist. Neben dieser, in der Praxis des Lehralltags notwendigen Möglichkeit unterstützt StudOn aber auch den „open content“-Gedanken. Lerninhalte und Materialien, die außerhalb von Kursen angelegt werden, sind für alle Nutzer sichtbar und verschiedene CreativeCommons-Lizenzen sind in den Metataten eines Lerninhalts zur Anzeige auf dessen Infoseite auswählbar.

Zur Barrierefreiheit konnte StudOn von Entwicklungen und Anpassungen profitieren, die von der Bundesagentur für Arbeit für das Basissystem in Auftrag gegeben wurden. Tabellen und Formulare wurden in zentralen Klassen vereinheitlicht und optimiert, Access-Keys ermöglicht. Eine Einstellung zur Optimierung für Screen-Reader-Programme verbessert die Focussteuerung beim Seitenwechsel. Nach wie vor ist das System trotz vermehrten Einsatzes von Web 2.0-Features per Fallback auch ohne JavaScript verwendbar.

Nutzung und Fazit

In drei Jahren Projektphase ist die Nutzung von StudOn über jedes Semester kontinuierlich angestiegen. Ende Mai 2010 waren in StudOn 26500 Studenten und 1660 Dozenten und Mitarbeiter registriert. Im Schnitt verzeichnet das System nun ca. 4000 Logins/Tag, in den ersten Vorlesungswochen ca. 8000. Damit ist StudOn trotz freiwilliger Nutzung durch die Dozenten zu einem festen Bestandteil der Lehre an der Universität Erlangen-Nürnberg geworden. Das kann als Zeichen für die Nutzbarkeit und als Erfolg für die gewählte Einführungsstrategie gewertet werden.

Betrachtet man die angelegten Objekte in StudOn, so gibt es einen deutlichen Schwerpunkt bei Download-Materialien (ca. 64000). Dies als einseitige Nutzung zu werten wäre jedoch falsch: für viele Dozenten sind sie ein einfacher Einstieg, der Schritt für Schritt erweitert werden kann. 1300 Foren, 1000 Übungsaufgaben und 370 Online-Tests weisen in diese Richtung, ebenso 241 Wikis, die erst seit 2008 verfügbar sind.

Zu Beginn des Projektes wurden vor allem typische Lehrszenarien propagiert: von der Unterstützung der Präsenzlehre über Blended Learning bis hin zu betreuten Online-Veranstaltungen ohne Präsenz wie den Kursen in der Virtuellen Hochschule Bayern. Allerdings zeigt sich, dass das Systems auch zu neuen Nutzungen animierte, z.B. universitäre Arbeitsgruppen, Lehrstuhlpräsentationen als Ersatz für eigene Websites, Sprechstunden-Organisation oder ein Archiv für Abschlussarbeiten. Diese Flexibilität möchte StudOn im Sinne des „Bottom-Up“-Prinzips auch weiter fördern und bei Bedarf durch Erweiterungen und Anpassungen unterstützen.